Recht auf religiöse und weltanschauliche Neutralität im Betrieb?! Betriebliche Kopfbedeckungsverbote sind rechtswidrig!

02.06.2016

Das Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit von Inssan e.V. ist besorgt über die Einschätzung der Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Juliane Kokott. In ihrem Schlussantrag zum Vorabentscheidungsersuchen des belgischen Kassationshofs auf die Frage, ob ein privater Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin muslimischen Glaubens verbieten darf, am Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen, schlug sie dem EuGH vor, auf diese Frage mit einem „Ja“ zu antworten: Eine Betriebsregelung zu Kopftuchverboten stelle zwar keine unmittelbare Diskriminierung da, eine mittelbare Diskriminierung sei jedoch unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt.

„Die Auswirkungen der gesetzlichen Regelungen zu Kopftuchverboten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sind schon jetzt alarmierend“, gibt Zeynep Cetin, Projektleiterin des Netzwerks gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit zu Bedenken. „Viele ArbeitgeberInnen gehen von einem Kopftuchverbot als Norm in ihrer Einstellungs- und Beschäftigungspraxis aus. Diese Annahme wird bestätigt durch Fälle aus unserer Beratungsarbeit. Betroffene muslimische Frauen werden in Vorstellungsgesprächen pauschal aufgrund ihres Kopftuches abgelehnt. Diese Ablehnung erfolgt zeitweilig offen und ArbeitgeberInnen zeigen dabei kein Unrechtsbewusstsein. Auch private Arbeitsvermittlungs-agenturen sortieren aufgrund interner Absprachen mit Arbeitgebenden Bewerbungsunterlagen von Frauen mit Kopftüchern aus“, zeigt sich Zeynep Cetin besorgt über die Entwicklung der Diskriminierungsrisiken für muslimische Frauen auf dem Arbeitsmarkt.

Durch eine Entscheidung des EuGH würde sich dieser diskriminierende Zustand nur noch verstärken. ArbeitgeberInnen, die in ihrem Unternehmen eine Politik der religiösen und weltanschaulichen Neutralität durchsetzen wollen, dürften zur Umsetzung eine allgemeine Betriebsregelung zur Untersagung von sichtbaren religiösen Zeichen erlassen, die eine mittelbare Diskriminierung von muslimischen Frauen mit Kopftüchern rechtfertige.

Mit seiner neuen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht letztes Jahr die individuelle Religionsfreiheit von Lehrenden und insbesondere das Recht muslimischer Frauen auf diskriminierungsfreien Zugang zum Beruf gestärkt. Bleibt zu hoffen, dass auch der EuGH in dieser Richtung entscheidet. Der Entscheidungsvorschlag der Generalanwältin ist für den EuGH nicht bindend. Das Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit hofft, dass das Gericht der Empfehlung der Generalanwältin nicht folgt.

Kontakt:

Zeynep Cetin, Projektleitung
Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit (Inssan e.V.)
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, 030 - 20 61 96 39