Als Migrant*innenorganisationen und postmigrantische Initiativen protestieren wir entschieden gegen die Kürzungen im Förderprogramm „Demokratie Leben“: Was die Bundesregierung plant, ist ein verheerender Schlag gegen die Demokratie in der Einwanderungsgesellschaft.
Zuerst die gute Nachricht: Das Förderprogramm „Demokratie leben! – Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ geht in die zweite Runde. Doch für das nächste Jahr hat die Bundesregierung acht Millionen Euro weniger vorgesehen und plant bis 2024 offenbar weitere drastische Kürzungen. Davon besonders betroffen sind Migrant*innenorganisationen und Vereine von Schwarzen Menschen und People of Color. Dabei arbeiten wir in unterschiedlichen Communities an der Basis und sind ein unentbehrlicher Teil der Zivilgesellschaft in Deutschland.
Wir leben in Zeiten, in denen rechte Aufmärsche zur Tagesordnung gehören, Hate Speech im Netz allgegenwärtig ist und Neonazis in Parlamente einziehen. Die politischen Debatten kreisen ständig um Geflüchtete und Migrant*innen. Gleichzeitig haben Anti-Schwarzer Rassismus, antimuslimischer Rassismus, Antisemitismus, Rassismus gegen Sint*ezza und Rom*nja sowie andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zugenommen. Für uns ist das nicht nur messbar, sondern auch spürbar – Angriffe im öffentlichen Raum inbegriffen.
Noch nie war es wichtiger, dass wir mitmischen: Wir, das sind Migrant*innen, Geflüchtete, Sint*ezza und Rom*nja[1], Schwarze Menschen und andere People of Color, die vor Ort, aber auch auf bundespolitischer Ebene als zivilgesellschaftliche Akteur*innen präsent sind. Wir bringen uns aktiv ein für eine demokratischere, vielfältigere und gerechtere Migrationsgesellschaft für alle, auch in Themenfeldern wie Homosexuellen- und Trans*feindlichkeit.
Trotzdem haben die meisten aus unseren Reihen vom Bundesfamilienministerium eine Absage für ihre Projektanträge erhalten. Das bedeutet, dass ein erheblicher Teil des Engagements von Menschen mit Rassismuserfahrungen auf der Strecke bleibt – unsere Angebote und unsere Räume wird es so nicht mehr geben. Auch unsere Expertise können wir nicht mehr ohne Weiteres einbringen. So wird die migrantisch-diasporische Zivilgesellschaft faktisch abgebaut. Denn ehrenamtlich können und wollen wir das nicht leisten.
Die Entscheidung der Bundesregierung, ausgerechnet jetzt an zivilgesellschaftlichem Engagement für Demokratie und gegen Extremismus zu sparen, können wir in keiner Weise nachvollziehen. Aus unserer Sicht kommt das einer Kapitulation gegenüber Rechtsradikalen gleich, die seit Jahren versuchen, das Förderprogramm zu diskreditieren. Dabei ist die Stärkung von Akteur*innen der diversitätsorientierten Zivilgesellschaft wichtiger denn je.
Wir fordern:
- eine Steigerung der Mittel für das Förderprogramm „Demokratie Leben!“ in den anstehenden Haushaltsnachverhandlungen, konkret auf 200 Mio. Euro pro Jahr bis einschließlich 2024,
- die Einführung eines Demokratiefördergesetzes bis Ende der Legislaturperiode, das die Arbeit von Projekten und Initiativen langfristig absichert und verlässliche Strukturen schafft,
- eine explizite Förderung von Empowerment-Projekten von und für Schwarze Menschen, Sinti und Roma, Migrantenorganisationen und andere Initiativen von Menschen mit Rassismuserfahrung, deren zivilgesellschaftliches Engagement besonders viel Kraft braucht und geschützte Räume erfordert. Wir sind keine Service-Einrichtungen für „die Mehrheitsgesellschaft“.
Eine starke Demokratie braucht ein Förderprogramm auf gesetzlicher Basis, das nicht nur gegen Extremismus vorgeht, sondern auch das Recht auf Vielfalt unterstreicht. Oder anders gesagt: Unsere Demokratie stirbt, wenn Vielfalt in der Zivilgesellschaft zum Auslaufmodell erklärt wird.
Erstunterzeichnende:
- Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V.
- Migrationsrat Berlin e. V.
- Verband für interkulturelle Arbeit e. V.
- Zentralrat Deutscher Sinti und Roma e. V.
- Center for Intersectional Justice (CIJ)
- Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e. V.
- Neue deutsche Medienmacher*innen e. V.
- Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma e. V.
- neue deutsche organisationen e. V.
- RAA Berlin
- Roma Center e. V.
- DeutschPlus e. V. – Initiative für eine plurale Republik
- GLADT e. V.
- korientation e. V.
- Each One Teach One (EOTO) e. V.
- move GLOBAL e. V.
- ADEFRA e. V.
- Club Dialog e. V.
- trixiewiz e. V.
- xart splitta e. V.
- RomaTrial e. V.
- RomaniPhen e. V.
- Amaro Drom e. V.
- Bundes Roma Verband e. V.
- Inssan e. V.
- Amaro Foro e. V.
- Romano Sumnal e. V.
- Netzwerk RomaRespekt
- BIWOC Rising gUG
[1] gendergerechte Schreibweise von Sinti und Roma